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Erotische Schauerroman-Trilogie (Malerei und Musenkraft)
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Erotischer Künstlerroman von 2018 332 Seiten von Alexander Sergejewitsch
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Erotischer Schauerroman 512 Seiten von Alexander Sergejewitsch
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www.alexander-sergejewitsch.de
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Hélène Das Geheimnis der falschen Mona Lisa II Eine Liebesgeschichte um ein verschollenes Gemälde Alexander Sergejewitsch
ISBN 9783746081953 [Softcover] [auch als E-Book erhältlich]
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Rückenakt einer aus dem Wasser steigenden Nymphe I Alexander Sergejewitsch
ISBN 9783739206493 [Hardcover] ISBN 3739223758 [Softcover] ASIN B019ZRODIS [E-Book]i
Es ist weit nach Mitternacht. Überall riecht es nach Terpentin und frischem Öl. Im Kamin knistert ein letztes Freudenfeuer. Der Butler hat sich schon früh zur Ruhe begeben. Madame liegt in ihrem Himmelbette und träumt von Jurij, ihrem Dichterarzt. Nackt stehen sie da, am Fenster, seine Muse und ihr Meister, und schauen hinaus auf die weite Fläche aus Eis und Schnee, wo der Katzenmond sich bricht wie die Lanze in Siegfrieds Rücken. „Ich liebe dich, mein Engel, meine kleine Fürstin der Finsternis!“ „Ich dich auch, mein Gebieter, mein Verführer, mein Ein und Alles in dieser Welt aus Fluch und Verdammnis! Komm gib es mir, komm, mach es mir sofort, ich brauche es, ich brauche dich! Ohne dich bin ich ein Nichts! Komm, mein Gebieter, und mach es mir, bitte, gib es mir auf der Stelle!“ bettelte sie ihn an, als das Genie seinen Rachen aufsperrte, seine Säbelzähne fletschte, um sie in dem blütenreinen Schwanenhalse seiner Geliebten verschwinden zu lassen. Sofort rann ein warmer Strahl von der Röte einer Rose am Morgen an ihrem Busen hinab, umfuhr die Zauberwölbungen ihres Bauches, bahnte sich seinen Weg über ihren Venushügel, schoss über ihre herrlichen Schenkel und tropfte schließlich auf den Granit. Jetzt röchelte sie und gab sich ihrem Gebieter vollkommen hin, indem sie ihm den Hals darbot wie Christus seinen Blutkelch den Jüngern. Der Sizilianer schlürfte und schlürfte, und zwischendurch leckte er ihr das Elixier von den Brüsten, ihrer Scham und den Beinen. „Ja, mein kleiner Zaubervogel, komm her, ich will dich heute Nacht verwöhnen! Ich weiß, dass du schon lange darauf gewartet hast! Komm gib mir deine Ader noch ein Mal, damit ich daraus trinken kann! Komm, gib mit deinen Ledahals!“ „Ja, mein Verführer! Mein schwarzer Lancelot! Ja, ja, ja, ja, ja! Ach! Ach! Ach! Ja-a-a-a-a-a!“ Und er trank und er saugte und er schlürfte immer wieder aufs Neue, während sich der kalte Mond durch das Fenster drängte, um ihren Alabasterleib voller Habgier zu liebkosen. Nachdem er seine andere Lust an ihr befriedigt hatte, purzelte sie in seine Arme und dann trug er sie auf seinen Händen einer Pietà gleich durch das Terpentin geschwängerte Zimmer, um sie anschließend unmittelbar vor der offenen Flamme rücklings auf das Bärenfell zu legen. Sie stöhnte leise auf, hob ihren paradiesischen Lockenkopf und bat ihn, dass er sie küsse solle. „Küss mich, küss mich! Bitte! Küss mich, solange uns Rasputin am Leben lässt! Ich habe Angst, mein Gebieter, ich habe schreckliche Angst! Ich will noch nicht sterben! Ich will nicht sterben! Komm, küss mich! Ich liebe dich! Ich weiß, dass ich dir Unrecht getan habe, dass ich aus deinem Gewissen eine Schlangengrube gemacht habe! Je dis ma mea culpa! Ich weiß, mein Gebieter, komm und küss mich jetzt! Nimm mich jetzt! Bitte!“ Dann küsste er sie inniglich auf ihre kühlen Lippen und drang in sie ein. Der Mond kroch über den kalten Stein, eroberte die Matratze, ergoss sich über die Felle, kletterte auf die beiden in Hadesliebe entflammten Leiber und verschwand im Abzug des Kamins. Manchmal konnte sie so sein wie früher, als er sie kennengelernt hatte: voller Hingabe und Unschuld, ohne einen Funken von Berechnung in ihrem kleinen Spatzenkopf! Ohne Janusmaske! (331ff.)
Troisième Scène 21. August
Man hörte die Reifen eines Jaguars über den Kies kratzen, dann ein dreimaliges Hupen. Sofort lief der Italiener ans Fenster, und als er sah, wie seine Geliebte aus dem Wagen kletterte, stürzte er nach draußen und überschüttete sie mit Küssen. „Wie schön, dass du gekommen bist, Natascha!“ „Wie schön, dich zu sehen, Bernardo!“ „Komm, ich stelle dich Madame Maginot vor! Ja, äh, Heinrich, Sie können das Gepäck ins Foyer schaffen und dort auf uns warten!“ „Jawohl, Euer Exzellenz!“ „Madame Maginot, darf ich vorstellen, das ist Natalia Domina, sie ist gerade mit Drehen fertig, sie kommt direkt von der Côte und will ein paar Tage ausspannen!“ „Seien Sie willkommen auf Château de la Madeleine, Madame Domina, und fühlen Sie sich wie zu Hause!“ „Es ist mir eine Ehre, Madame, in einem solchen Anwesen wie dem Ihren, Gast sein zu dürfen! Ich war schon einmal hier, vor etlichen Jahren, aber da lag dieses Schloss in einem Dornröschenschlaf, umso mehr bin ich ergriffen von dem Leben, das jetzt hier herrscht!“ „Ja, ja, mein Mann und ich hatten uns entschlossen, dieses Haus zu retten, wir konnten es einfach nicht mehr ertragen wie alles verkam. Darf ich Ihnen Ihr Zimmer zeigen, Madame Domina?“ „Kommen Sie, Heinrich, und nehmen Sie das Gepäck!“ befahl die Domina ihrem Butler, der nun mit drei Koffern und einer Schlangenledertasche kämpfte und den Herrschaften nach oben folgte. Dann öffnete die Maginot eine Tür und bat die Schauspielerin einzutreten. „Wie zauberhaft, Madame, wirklich zauberhaft!“ entgegnete der Star voller Entzückung, lief zu einem großem Bette und ließ sich darauf fallen. Heinrich trottete hinterher und stellte das Gepäck vor einem Rokokoschrank ab. „Wann möchten Sie dinieren, Madame Domina? Ich habe Regenpfeifer auf Toast vorbereitet, das mögen Sie doch, nicht wahr?“ „Äh, was, äh, ja, ja, ja, Regenpfeifer auf Toast, ja, natürlich, Madame, mag ich Regenpfeifer auf Toast!“ „Also, wann darf ich anrichten?“ „Äh, ja, äh, wie anrichten? Ja, so gegen sieben, äh, ja, gegen sieben!“ „Ja, dann lass ich Sie jetzt erst einmal alleine, Sie haben sich sicherlich viel zu erzählen!“ verabschiedete sich die Hausherrin und lief wieder nach unten. „Ich zeig dir mein Atelier, Natascha, oder besser gesagt, die Stätte meiner Arbeit. Madame Maginot ist so frei, mir den Ballsaal zur Verfügung zu stellen, nachdem ihr zu Ohren gekommen war, dass mich der Präsident für eine Ausstellung im Louvre vorgeschlagen hat und die Schau persönlich eröffnen will.“ „Und wann denkst du, fertig zu sein, ich meine mit dem Bild, für das du mich brauchst?“ „Ja, ich denke, wenn ich mich beeile, und auch das ist wahrlich eine Kunst, weil ich zum einen großformatig und zum anderen mit Lasurfarben arbeite, und das dauert, ganz abgesehen von der Zeit, die die Farben brauchen, um zu trocknen, ja, ich denke, es wird Herbst nächsten Jahres werden. Ich hab dem Präsidenten bereits eine Nachricht zukommen lassen“, entgegnete er, lief über den Flur und stieß die Flügel zum Ballsaal auf. „O, wie zauberhaft! Mein Gott, ist das ein Atelier! Wirklich großartig, Bernardo!“ rief seine Geliebte voller Begeisterung, als sie die Riesenleinwand und den langen Tisch mit all den Malutensilien sah. Ein Fenster war nur angelehnt und nun fegte ein warmer Sommerwind durch den Saal. Für einen Augenblick ließ er die Locken des Filmstars erzittern und unseren Maler an jenes Treffen damals im Café Angelo denken, als sie ihm davongelaufen war. Während sie sich gestritten hatten, war sie mit ihren Händen ständig durch ihre Haare gefahren, als hätte sie ihren Spatzenkopf von den Locken befreien wollen, so sehr hatte ihr der Schädel gebrummt! Ja, damals in Düsseldorf und nach Düsseldorf, das war für ihn die Hölle auf Erden gewesen, und durch diese Hölle ist er gegangen wie Dante durch das Inferno! „Ja, ich bin glücklich, wirklich glücklich, dass Madame Maginot mir diesen Raum überlassen hat. Weißt du, als ich noch in Madrid studiert habe, da hatte ich ein Zimmer in einer Jugendstilruine. Na ja, der Begriff „Ruine“ ist vielleicht etwas irreführend, aber ich will damit sagen, dass oft die Geschichte, wobei Geschichte auch Ausdruck von Zerfall sein kann, den eigentlichen Charakter eines Hauses prägt. In Madrid eben, in diesem zauberhaften Denkmal, in diesem architektonischen Kaleidoskop aus geraden und vegetabilen Linien, aus Vernunft und Poesie, hatte ich meine exotischsten Träume, und es sind diese spanischen Träume, die mich - selbstverständlich abgesehen von dir, Natascha, du bist und bleibst meine Muse - grenzenlos inspirierten. Und dieser Ballsaal, mit seinem Wunderparkett, seiner Wundertapete, seinem Wunderstuck, den verspielten Fenstern und seiner Geschichte von Tanz und Musik, von früher Liebe und Verschmähung, inspiriert mich ebenso.“ Dann ging er auf die Leinwand zu, rollte zwei Malergerüste beiseite und deutete auf die Zeichnung eines entblößten Weibes, das dem Betrachter den Rücken zuwendet. „Siehst du diese Figur, Natascha, an dieser Figur arbeite ich zurzeit und ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich den Po etwas mehr um seine Achse drehen soll, um ihm mehr Dreiviertelprofil zu geben. Dadurch wird der Po zur gemalten Skulptur, er tritt aus der Leinwand förmlich heraus, er löst sich von der Fläche und weckt im Betrachter den Drang, mit den Händen nach ihm zu greifen, zumindest läuft hier oben“, referierte er mit einem Unterton von Leidenschaft in seiner Stimme, wobei er seinen Zeigefinger dreimal gegen seine Stirn schlug, „zumindest läuft hier oben so ein Film ab, dass er meint, er müsse das Hinterteil berühren, ich meine rein psychologisch natürlich, obgleich er weiß, dass es nur das Bild von einem Po ist. Die Kunstwissenschaft nennt das haptisches Sehen.“ Dann legte er seinen Arm um ihre Schulter, wie er es früher getan hatte, als sie noch ein Paar waren, und schlenderte mit ihr zu dem Fenster, durch das der Wind vorhin geschlichen kam. Nun zog er die Gardine fort, machte die Flügel weit und küsste ihre Locken. Erneut blies ihr der Wind ins Gesicht und ließ ein zweites Mal ihre Frisur erzittern. Wieder musste der Sizilianer an damals denken, als sich eine Träne aus seinem Auge schälte und über seine Wange lief. Jener himmelblaue Tag in der Metropole am Rhein, wo sich Schumann hatte das Leben nehmen wollen, spukte in seinem Kopfe wie das Gespenst von Canterville. An jenem Tage brannte das Feuer so sehr in seiner Brust, dass er sie mit Haut und Haaren hätte fressen können. Er hätte vor ihr niederknien wollen gleich Pygmalion vor seiner Statue. Selten hatte er sie als so attraktiv erlebt wie an jenem Frühlingstag in der Modestadt an der Düssel. Denn ihr Antlitz war geschnitztes Elfenbein und ihre Locken glichen einer babylonischen Landschaft, wo ein Prophet allen, die von Amors Pfeil getroffen sind, seine Bergpredigt verkündet. Ja, er hätte auf die Knie fallen wollen, um sie anzubeten! Sie war seine Göttin gewesen und seine Göttin war sie immer noch! Dann blickten sie hinaus in den Park und sahen den Regenpfeifern zu, wie sie miteinander balgten. Irgendwann ging seine Geliebte auf ihr Zimmer, während unser Maler an seiner Leinwand wieder zu arbeiten begann. (368-373)
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„Viel unterwegs war ich und Gaststipendiat der Villa Massimo, wo ich über Michelangelo´s Leben schrieb: »Michelangelo im Brennspiegel des Rinascimento«. Mein zweites Buch, das mich hoch katapultierte. Immer wieder besuchte ich die Sixtinische Kapelle, um über die Fresken etwas herauszufinden, was mir meine These bestätigen sollte. Und sie taten es! In Florenz war ich viel . . . und-und-und . . . “ „Ach, du weißt, dass mich das wenig interessiert. Du weißt, was ich hören möchte, nicht wahr? Warum drückst du dich um die Wahrheit? Warum spielst du Katze und Brei mit mir?“ „Du hast ja recht, Hélène! Ich weiß, was dich bewegt. Na ja, du meinst . . . ä-ä-ä . . . meine Studentinnen?“ „Ganz genau, »deine Studentinnen«!“ „Wenn ich ehrlich bin, halte ich nicht viel von Affären mit Zöglingen, obgleich an der Sorbonne das kein Verbrechen ist. Wie überhaupt das nicht geahndet wird an welcher Hochschule auch immer, wenigstens soweit mir bekannt ist. Nathalie, das weißt du auch, hatte ich in Petersburg an der Akademie kennengelernt und mich Hals über Kopf in sie verliebt. Und was ist daraus geworden? Irgendwann lernte sie diesen sonderbaren Marquis kennen, ein wirklich enigmatischer Kerl, ich weiß nicht einmal wie er heißt, hatte ihn auch kein einziges Mal zu Gesicht bekommen, bis sie einfach auf und davon ist, durchgebrannt eben. Und dann, nachdem sie sich herabgelassen hatte, mit mir wieder zu sprechen, kam die Scheidung. Offen gestanden, sie war nur auf mein Geld aus! Frauen prostituieren sich, das liegt in eurer Natur! Und das ganze Papperlapapp von Emanzipation und dieser Deutschen, wie heißt sie nochmal, diese Boulevardhure, ich komm´ jetzt nicht d´rauf, und all dieser fromage, daran glauben doch nur irgendwelche Xanthippen, doch keine wahren Schönheiten wie du eine bist! Ein paar Liasons hatte ich hier an der Sorbonne, so mit einer Schülerin aus Brügge ― man hat mittlerweile einen Damm im Meer errichten und das städtebauliche Kulturerbe retten können ― na ja, sie war gerade achtzehn geworden, blutjung, na ja, ich hab´ zugegriffen, wie wir Männer eben sind. Ihr schlagt die Bettdecke auf und wir folgen euch, nehmen euch, schwitzen mit euch, leiden mit euch. Ihr zieht euch aus und wir halten euch frei. So ist das `mal! Das ist Gesetz! Und Emanzipation ist Illusion! Auf jeden Fall war ich froh, als das mit Brügge vorüber war, aber im Bett war die Kleine erste Klasse! Lieben vermochte sie wie eine läufige Hündin und genug konnte sie einfach nicht kriegen! Bekam den Hals nicht voll, dieses Lasterweib! Fesseln musste ich sie einmal, auf einem Thonet-Stuhl, splitternackt hockte sie da mit ihrem süßen Hintern auf der kalten Buchenholzplatte, nur mit einem sündhaft teuren Büstenhalter bekleidet, den ich ihr irgendwann kaufen musste, weil sie wie üblich ihre Migräne hatte, um sie zu trösten. Und geknebelt wollte sie auch werden von mir. Dreimal hintereinander war der Kanon und danach war Vorlesungsstunde angesagt. Die hat mich ganz schön rangenommen, das kann ich dir erzählen! Dreimal hintereinander! Ich weiß gar nicht mehr, wie ich das überhaupt hinbekommen habe, nach all den intellektuellen Strapazen an unserer ehrwürdigen Universität. Na ja, dann war Vorlesungsstunde, über Caravaggio musste ich ihr ständig was erzählen, und weshalb Caravaggio sich selbst malte in seiner »Enthauptung des Holofernes« und so fort. Mann, war die scharf! Scharf wie ein Messer! Mit einer Eins in der Abschlussprüfung quittierte ich ihre Dienste auf der Matratze. Danach wollte sie promovieren bei mir, lehnte ich aber ab. Das schien mir dann doch etwas zu weit zu gehen. Denn so talentiert wie im Bett, war sie keinesfalls in der theoretischen Lehre, ich meine, was die Geschichte der Kunst anlangt. Ich bin zwar korrupt, aber so korrupt auch wieder nicht, irgendwo hört der Spaß auf! Hat sie mir ziemlich übel genommen und Lügengeschichten verbreitet, von wegen, ich sei eine Niete im Bett und so. Das halbe Quartier wusste nachher Bescheid! Was heißt Bescheid? Bescheid über Lügen, nichts als Lügen! Seitdem ich über Bernardo von Palermo habilitiert habe, weiß ich, was Können und Moral sind. Alles hat seine Grenzen! Promovieren bei mir dürfen nur diejenigen, die über genügend Intellektualität und historische Intuition verfügen, und nicht deshalb, weil man es versteht, die Beine breit zu machen. Verzeih mir, chérie, meine Offenheit! Aber das Wenigste im Leben ist wahrhaftig!“ Dann verschwand die Welt um ihn herum erneut für einen Augenblick, weil er die Glocken wieder zu hören vermeinte, von dort drüben, von der Insel der Seligen. „Da musst du dich nicht wundern, wenn du mit kleinen Mädchen ins Bett gehst, die nichts im Kopf haben. So etwas rächt sich eines Tages, und falls diese jungen Dinger sich nicht mehr zu helfen wissen, dann erfinden sie irgendwelche Phantastomorgien, nur um ihre primitiven Instinkte zu befriedigen.“ „Sag´ `mal ehrlich, wo hast du solange gesteckt?“ „Ach, Bérnard, wir wollten doch darüber nicht sprechen, wenigstens jetzt nicht. Na gut, ich hatte jemanden kennengelernt. Eines Tages betrat er unsere Parfümerie und erkundigte sich nach »Saint Raspoutine«, irgend so ein Duft aus Petersburg. Es sei ein Geschenk für seine Frau. Und irgendwie kamen wir dabei ins Gespräch, über Gott und die Welt. Anfangs wusste ich gar nicht, was er wollte, fand den Duft nicht, doch nach längerem Suchen hielt ich ihn schließlich in den Händen. Spontan verabredeten wir uns für den nächsten Tag, in den Tuilerien, irgendwann im Herbst. Und dann erzählte er mir von Anastasia, seiner Frau, und dass sie schwer erkrankt wäre. Sie litte unter einem Kopftumor. Eine letzte Reise plane er mit ihr, weil sie bald sterben müsse. Die letzten Tage wolle er mit ihr auf der Île de Bréhat verbringen. Na ja, zwischen uns war rein gar nichts zu jener Zeit. Einfach nur so, wie das Leben spielt. Doch später erhielt ich einen Anruf von ihm, er nannte sich im Übrigen Alessandro, und würde in einem Ingenieurbüro außerhalb von Paris arbeiten. Er erzählte mir, dass seine Frau gestorben wäre, und er jemanden bräuchte, mit dem er darüber reden könne. Na ja, wir trafen uns erneut in den Tuilerien, und dann hat es irgendwie Klick gemacht. Im darauffolgenden August reisten wir nach Barcelona und hatten eine wunderschöne Zeit. Ihm schien es wirklich scheußlich zu gehen und irgendwie tat er mir leid, weshalb es dazu kam, was ich anfangs überhaupt nicht wollte, ich meine, dass ich mich auf ihn eingelassen habe. Er verdiente gut, mehr als genug, und besaß mehrere Wohnungen, eine davon in Moskva, wohin wir öfters flogen und das Wochenende verbrachten. Obendrein sah er gut aus. Ich weiß nicht, was mich damals geritten hatte, weshalb ich ihm auf den Leim gegangen bin. Denn es dauerte lange, bis ich dahinter kam, dass er noch andere Frauen hatte, und die Geschichte mit seiner krebskranken Gattin nur eine Masche war, um mit mir in Kontakt zu kommen. Im Grunde genommen war er ein richtiges Schwein!“ „Erzähl´ weiter, Hélène! Wie ging´s weiter, Hélène?“ „Na ja, er war ein Waffennarr, wenn du weißt, was ich meine. Über eine komplette Sammlung alter Duellpistolen verfügte er. Regelmäßig nahm er an geheimen Treffen teil, was selbstverständlich verboten ist. Doch können einige nicht die Finger von diesen tödlichen Spielen lassen, suchen irgendwelche entlegenen Orte auf, um sich gegenseitig zur Strecke zu bringen. Es sind Logen, denen sie angehören, Geheimbünde. Ja, und eines Tages, als wir uns wieder einmal heftig gestritten hatten, und ich ihm eröffnete, ihn verlassen zu wollen, drohte er mir, mich umzubringen. Ich fasste das als einen Scherz auf, nichts weiter. Gerade auch deshalb, weil man vieles, was er von sich gab, nicht für bare Münze nehmen konnte. Doch dann, als er mich bat, ihn zu besuchen ― er hatte ein Appartement auf Montmartre ― ist es dann passiert!“ „Was ist passiert? Was-was-was?“ „Hör´ doch `mal zu! Hab´ doch Geduld!“ „Was-was-was, Hélène?“ „Kaum hatte ich die Türe hinter mir zugeschlagen, als er auch schon mit einer seiner Duellpistolen dastand und auf mich zielte!“ „Das ist ja Wahnsinn! Das ist ja der nackte Wahnsinn! Ich hatte es dir ja immer gesagt, dich immer wieder gewarnt! »Sieh´ dich vor, Hélène!« Habe ich dir das nicht oft genug gepredigt? »Hab´ Acht mit deinen Rendezvous!« Aber das einzige, was du meintest, dass ich nicht richtig sei im Kopf, nur weil ich dir geschrieben hatte, ich hätte das zweite Gesicht. Ich wusste es, ich habe es immer gewusst, dass eines Tages so etwas passieren würde! Ja, ich habe das zweite Gesicht, gehöre ich deswegen auf die Ledercouch? Ich bin nicht bloß Professor, sondern auch Romancier, na und? Damals hattest du mich für nicht ganz normal gehalten und gabst mir zu verstehen, ich täte dir nicht gut, nicht wahr, Hélène? Mach den Mund auf! Hatte ich recht oder nicht?“ „Ich weiß, Bérnard, aber so jemand wie du war mir vorher noch nicht über den Weg gelaufen, weshalb ich dir nicht traute und dachte, mit dir stimmte irgendwas nicht. Es tut mir leid!“ „»Es tut mir leid!« »Es tut mir leid!« Dabei bist du selbst alles andere als durchschnittlich und reagierst mitunter vollkommen gegen den Strich, ich meine irrational, abseits jeder Logik! Wenn ich daran denke, als ich dich gebeten hatte, deinen bezaubernden Hut zu tragen ― da ich davon ausging, du würdest mich begleiten ins Musée d´Orsay ― wenn ich nur daran denke, wie du mich am Telefon abkanzeltest und fragtest, und das mit erboster Stimme, aggressiv eben wie du sein kannst, welchen Hut ich meinte, wo du diesen Hut so liebst und du ganz genau wusstest, auf welchen Hut ich anspielte, habe ich mich gefragt, ob bei dir noch alles stimmte! ― Ja, und dann?“ „Ich habe mich natürlich zu Tode erschrocken und dachte, nun wäre alles vorbei, ich müsse sterben! Seine Augen hättest du `mal sehen sollen, wie ein krankes Tier, der reinste Psychopath! Mein Glück war, dass es sich um eine sehr alte Pistole handelte, und er das Schwarzpulver falsch angemischt hatte, so dass der Schuss erst gar nicht losging, als er abdrückte. Völlig von Sinnen riss ich die Türe auf, stürzte ins Treppenhaus und, nachdem ich mich hatte in den Aufzug retten können, auf die Straße, wo ich erst `mal kräftig durchatmete. Tags darauf erstattete ich Anzeige bei der Gendarmerie. Der zuständige Beamte teilte mir aber mit, dass es einen Alessandro de Kandinsky nicht gäbe, so hieß er mit vollem Namen, wenigstens schimpfte er sich so. Sie untersuchten den Fall, fuhren zu dem Haus, doch fanden weder diesen Namen noch das Appartement, wo er mich umbringen wollte. Eine merkwürdige Geschichte. Noch lange danach habe ich in ständiger Angst gelebt, er wolle mir auflauern und dann sein Vorhaben, mich ins Jenseits zu befördern, realisieren. Ich bin ja so froh, dich wiederzusehen, mon chéri!“ „Und jetzt erwartest du, dass ich dir das alles verzeihe? O Hélène! Böse Hélène! Wenn ich dich nicht so lieben würde!“ Dann bestellten sie noch jeder eine Tasse Heiße Schokolade. Regen kam auf.
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Vom gleichen Autor:
“Bekenntnisse eines Bohémiens - Jugenderinnerungen & kritische Anmerkungen - Eine fast wahre Legende” (autobiographische Erzählung) ISBN 9783739209326 (ausschließlich E-Book)
“Wie ich einen Roman schreibe - Tipps & Tricks für angehende Romanciers” (Sachbuch) ISBN 9783739212562
“Romancier und Künstler - Wahrheiten über eine aussterbende Spezies” (erzählendes Sachbuch)
ISBN 9783741238499
erscheint Anfang 2017
“Lyrik 1972 bis 1982 - Poeme und Texte” (Belletristik)
in Vorbereitung
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HOPLITODROME VAINQUEUR Statue en mabre par Ağasias d´Ephèse Musée Louvre HELIOGRAVURE by DUJARDIN 2. Hälfte 19. Jahrhundert
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